Gesundheitswirtschaft auf dem Vormarsch
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2010 - TOP 29. Antwort von Wirtschaftsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Heidemarie Mundlos (CDU)
Die Abgeordnete Heidemarie Mundlos (CDU) hatte gefragt:
Seit einiger Zeit wird das Thema „Entwicklung der Gesundheitswirtschaft“ intensiver diskutiert. Bereits auf der CeBIT 2008 stand das Thema „Wirtschaftsfaktor Gesundheit: Neue Strategien für Kommunen und die regionale Wirtschaft“ auf der Tagesordnung. Dort wurde geäußert, dass die Gesundheitswirtschaft einer der wichtigsten Zukunftsmärkte auch für Niedersachsen werden würde. Dies hängt zum einen mit der zunehmenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und -produkten und der demographischen Entwicklung zusammen. Hinzu kommt, dass Bürger immer bewusster mit ihrer Gesundheit umgehen und auch bereit sind, dafür zusätzlich Geld auszugeben. Somit müssten in diesem Sektor neue Arbeitsplätze entstehen.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie haben sich die Bereiche der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen entwickelt?
- Wie beurteilt die Landesregierung die Potenziale der Gesundheitswirtschaft für Niedersachsen?
- Gibt es Maßnahmen der Landesregierung, die diese Entwicklung unterstützen, und wenn ja, welche?
Das Gesundheitswesen stellt in Deutschland mit mehr als eine Viertel Milliarde Euro Ausgaben für Gesundheitsdienstleistungen und -produkte (über 10,4 Prozent des BIP) und rund 4,6 Mio. Beschäftigten (jew. 2008) ein wichtiges volkswirtschaftliches Segment dar. Seit 2000 ist das Personal im Gesundheitswesen um eine halbe Million Beschäftigte gestiegen. Bis 2020 wird ein Anstieg der Gesundheitsausgaben in Deutschland auf dann 453 Mrd. Euro erwartet.
Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung gewinnt der sog. zweite Gesundheitsmarkt (Gesundheitsausgaben außerhalb der Krankenversicherung) zunehmend an Bedeutung. Während 2003 in Deutschland etwa 49 Mrd. Euro für privat finanzierte Produkte und Dienstleistungen im Gesundheitsbereich erfolgten – 18,8% der gesamten Gesundheitsausgaben – waren es 2008 bereits rund 64 Mrd. Euro.
Noch fehlen zur Erstellung konkreter Prognosen für Niedersachsen aktuelle Erhebungen zu den einzelnen Wirtschaftsbereichen, die die Entwicklungen in Teilbereichen der Gesundheitswirtschaft umfassend mit Zahlen beschreiben könnten. Aussagen zu der Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in einigen Teilbereichen der Gesundheitswirtschaft sind dagegen möglich.
In Niedersachsen waren 2008 knapp 325.000 Menschen in der Gesundheitswirtschaft sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Hinzu kommen in Niedersachsen statistisch nicht erfasste geringfügig Beschäftigte und Selbständige.
Während die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Niedersachsen von 2000 bis 2008 um ca. 20.000 abgenommen hat, ist sie in den Wirtschaftszweigen der Gesundheitswirtschaft um 30.000 gestiegen. Ohne die Beschäftigungseffekte der Gesundheitswirtschaft wäre die Beschäftigtenzahl in Niedersachsen um ca. 53.000 rückläufig gewesen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
An der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gemessen haben sich von 2000 bis 2008 die Pflegedienstleistungen und die ambulante Gesundheitsversorgung am stärksten entwickelt. Für die Pflegedienstleistungen wurden für Niedersachsen im Bundesvergleich überdurchschnittliche Wachstumsraten ermittelt. Geringere, aber positive Wachstumsraten wiesen auch die Bereiche Groß- und Facheinzelhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen, medizinische (außeruniversitäre) Forschung und Entwicklung und private Vorsorgedienstleistungen auf.
Zu den Vorsorgedienstleistungen gehören Anbieter von Sport- und Wellnessdienstleistungen. Dieser Bereich trägt zwar nur zu einem Prozent zum Beschäftigungspotenzial in der Gesundheitswirtschaft bei, allerdings ist er besonders dynamisch.
Zu 2.:
Die Gesundheitswirtschaft reicht von der Biomedizintechnik über den Gesundheitstourismus bis hin zur Zahntechnik. Biotechnologie, Medizintechnik, eHealth und Tourismus sind die Kernbereiche für die zukünftige Entwicklung in Niedersachsen.
Produkte und Dienstleistungen für Gesundheit und Erholung schaffen nach Ansicht der Landesregierung Zukunftsmärkte mit guten Wachstumsprognosen. Hierbei wird auch der Anteil privat bezahlter Leistungen und Produkte wachsen (z. B. Vorsorge, Rehabilitation, Gesundheitstourismus, medizinische Wellness, Fitness, Bio-Ernährung, Pflegedienste, Kulturtourismus u.a.m.).
Zu 3.:
Maßnahmen der Landesregierung zielen darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit niedersächsischer Unternehmen weiter zu steigern. Die Wertschöpfungspotenziale aller in der Medizintechnik tätigen Unternehmen lassen sich durch eine Vernetzung untereinander sowie durch die Vernetzung mit der Wissenschaft weiter optimieren. Der Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft wird noch systematischer und strategischer ausgerichtet.
Die Landesinitiative Gesundheitswirtschaft – Life Sciences Niedersachsen, kurz BioRegioN, vernetzt seit 2002 Wirtschaft und Wissenschaft mit dem Ziel, den Life Science-Standort Niedersachsen zu stärken. 2005 hat die Landesregierung die landesweite Initiative eHealth gestartet. Hieraus hat sich mittlerweile der Beirat eHealth.Niedersachsen konstituiert, der sich aus Vertretern der Wirtschaft und der Wissenschaft zusammensetzt und der kürzlich erste konkrete Handlungsempfehlungen zur Stärkung der Gesundheitswirtschaft mit Hilfe von eHealth erarbeitet hat. Weitere Landesinitiativen mit teilweisem Bezug zur Gesundheitswirtschaft gibt es in den Zukunftsfeldern „Nano- und Materialinnovationen“ sowie „Adaptronik“.
Es ist absehbar, dass es auf dem Ausbildungsmarkt, bei der Anwerbung von qualifizierten Arbeitskräften und bei der Suche nach Betriebsnachfolgerinnen und -nachfolgern zu Engpässen kommen wird. Davon wird die Gesundheitswirtschaft gleichermaßen betroffen sein. Die Politik der Landesregierung berücksichtigt dies. So wurden z. B. Maßnahmen ergriffen, um die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern. Und mit der Qualifizierungsoffensive Niedersachsen wirkt das Land mit den Arbeitsmarktpartnern aktiv dem aktuellen zukünftig drohenden Fachkräftemangel entgegen, auch zum Vorteil der Gesundheitswirtschaft.
Artikel-Informationen
erstellt am:
11.11.2010