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Beschränkt sich der Einsatz für Mindestlöhne nur auf Schlachthöfe, oder erweitert die Landesregierung ihr Engagement auch auf den Lebensmitteleinzelhandel?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 29.08.2013 - TOP 24. Antwort vom Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies auf die mündliche Anfrage der Abgeordneten Gabriela König, Sylvia Bruns, Jörg Bode, Almuth von Below-Neufeldt u.a. (FDP)


Die Abgeordneten Gabriela König, Sylvia Bruns, Jörg Bode, Almuth von Below-Neufeldt und Horst Kortlang (FDP) hatten gefragt:

„Lohndumping ist in Bio-Märkten an der Tagesordnung“ titelte es in der Tageszeitung DIE WELT am 15. März 2012 (http://www.welt.de/dieweltbewegen/article13924327/Lohndumping-ist-in-Bio-Maerkten-an-der-Tagesord­nung.html). Demnach arbeiten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bio-Supermärkten unterhalb von Tariflöhnen, obwohl die Branche enorme Umsatzsteigerungen verbuchen kann. Neben der untertariflichen Bezahlung kommen unbezahlte Überstunden und zunehmender Stress im Beschäftigungsverhältnis zum Tragen. Oft ist das Image der Bio-Branche ausschlaggebend für die Mitarbeiter, um in einem untertariflichen Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten. Discounter und andere Filialisten, die häufig tariflich oder übertariflich zahlen, würden demnach von diesen Arbeitnehmern gemieden.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie stellen sich die Verhältnisse im Lebensmitteleinzelhandel in Niedersachsen mit Bezug auf die tarifliche bzw. außertarifliche Bezahlung dar? Bitte getrennt nach Unternehmenstypen und Branchen.
  2. Wird sich die Landesregierung, vergleichbar mit ihrem Vorgehen bei den Schlachthöfen, für eine bessere und damit tarifliche Bezahlung im niedersächsischen Lebensmitteleinzelhandel, trotz niedriger Gewinnspannen und hohen Wettbewerbsdrucks, einsetzen?
  3. Wenn ja, wann und mit wem sind Gespräche über die Lohnhöhe, über die Vergütung von Überstunden, über das Einhalten von Pausenzeiten und die Entrichtung außertariflicher Leistungen, insbesondere mit Geschäftsführern, die die Tarifbindung aufgekündigt haben, geplant?

Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf Lies beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Die durch die Medien publik gemachte Problematik der Beschäftigungsverhältnisse in bestimmten Unternehmen ist nicht nur eine solche der gezahlten Löhne oder nur einiger weniger Unternehmen einer bestimmten Branche, wie die Medienberichte über umstrittene Beschäftigungsformen bei Daimler-Benz in Baden-Württemberg oder das tödliche Brandunglück von auf der Meyer-Werft in Papenburg Beschäftigten zeigen. Bei den in Betrieben der niedersächsischen Schlacht- und Zerlegeindustrie tätigen Werkvertragsarbeitnehmern fokussiert sich allerdings die soziale Dimension: Niedriglöhne sind hier mit zweifelhafter sozialer Absicherung, unwürdiger oder gar gefährlicher Unterbringung und einer migrationsbedingten quasi-rechtlosen Stellung im Beschäftigungsland verbunden. Ein entschlossenes Gegensteuern wird man der Landesregierung hier nicht verwehren können.

Abgesehen davon, dass in Deutschland eine flächendeckende staatliche Überwachung der Arbeitsbedingungen nicht vorgesehen ist, setzen auch die Handlungs-, Gewerbe- und Koalitionsfreiheit der auf dem Arbeitsmarkt Tätigen staatlichen Eingriffen Grenzen. Eine Aushandlung von Arbeitsbedingungen durch frei agierende Sozialpartner soll nach der Konzeption des Grundgesetzes Vorrang vor staatlichen Regulierungen haben. Nur soweit Mindeststandards unterschritten werden, ist der Staat - im Rahmen der ihm durch die Gesetze eingeräumten Möglichkeiten - zu Eingriffen befugt. Insoweit verfolgt diese Landesregierung - im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin - seit ihrem Antritt das Ziel, einen Mindestlohn für alle Branchen und alle Beschäftigten durchzusetzen. Die staatliche Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz sowie die ablehnenden Vorstellungen der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien haben derartige Bestrebungen bisher aber vereitelt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:
Der Landesregierung liegen keine validen Daten zur Bezahlung im Lebensmitteleinzelhandel Niedersachsens vor. Das liegt zum einen an einer insoweit nicht bestehenden Berichtspflicht der Unternehmen. Zum anderen gibt es zwar einen - auch den Lebensmitteleinzelhandel betreffenden - Gehalts- und Lohntarifvertrag für den Einzelhandel allgemein, der zwischen dem Handelsverband Niedersachsen-Bremen e. V. und ver.di abgeschlossen worden ist. Dieser weist monatliche Gehälter aus, die seit 01.07.2012 zwischen 1.285 Euro in der Gehaltsgruppe I im ersten Tätigkeitsjahr und 3.785 Euro in der Gehaltsgruppe V, Gehaltsstaffel c), ab dem 7. Tätigkeitsjahr liegen, und monatliche Löhne, die ab 01.07.2012 zwischen 1.639 Euro in der Lohngruppe I und 2.544 Euro in der Lohngruppe VI d) liegen.

Es ist aber nicht bekannt, welche Unternehmen mit wie vielen Mitarbeitern in welcher Gehaltsgruppe der insoweit bestehenden Tarifbindung unterliegen. Im Übrigen ist dieser Tarifvertrag von Seiten der Arbeitgeber bereits zum 30.04. dieses Jahres gekündigt worden. Der gewerkschaftlichen Forderung nach Anhebung der Vergütungen haben sich die Arbeitgeber bisher verschlossen.

Daneben liegen dem Wirtschaftsministerium zwar einige Firmentarifverträge von Einzelhandelsunternehmen vor, die zumindest zum Teil auch Lebensmitteleinzelhandel betreiben. Ob diese Tarifverträge aktuell sind, ist ungewiss. Häufig vergessen oder unterlassen die Tarifpartner die Übersendung von Tarifverträgen.

Jedenfalls lässt sich eine außertarifliche Bezahlung den dem Wirtschaftsministerium vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen.

Einen Eindruck über die Vergütungsverhältnisse im niedersächsischen Lebensmitteleinzelhandel kann man aus der in der Anlage beigefügten - allerdings nicht an Tarifvergütungen orientierten - Statistik der Bundesagentur für Arbeit gewinnen.

Zu 2.:
Die Niedersächsische Landesregierung setzt sich aus allgemeinen sozialen Erwägungen dafür ein, dass in allen Branchen ein - zur Not gesetzlicher - Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde gezahlt wird. Bisher verhindert der Bund das.

Zu 3.:
Nach der Rechtsordnung des Grundgesetzes obliegt es zunächst den Sozial- und Tarifpartnern, für auskömmliche Arbeitsentgelte zu sorgen. Der bisher vom Handelsverband Niedersachsen-Bremen e. V. mit ver.di geschlossene Gehalts- und Lohntarifvertrag sowie die bekanntgewordenen Firmentarifverträge sprechen dafür, dass dieses System - anders als bei den eingangs beschriebenen, hierzulande in der Regel nicht vertretenen Werkvertragsarbeitnehmern - grundsätzlich funktioniert. Mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns würde darüber hinaus jeglicher Anlass von etwaigen Verhandlungen der Landesregierung mit einzelnen Arbeitgebern entfallen. Letztlich haben die Verhandlungen mit den Betrieben der niedersächsischen Schlacht- und Zerlegeindustrie gezeigt, dass die Landesregierung nur über einen eingeschränkten rechtlichen Gestaltungsspielraum verfügt, wenn die Unternehmen nicht zur Gewährung auskömmlicher Arbeitsbedingungen bereit sind. Daher hat sich die Landesregierung gegenüber dem Bund nachdrücklich für die Einführung eines flächendeckenden allgemeinen Mindestlohns eingesetzt.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
03.09.2013

Ansprechpartner/in:
Herr Stefan Wittke

Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Bauen
Pressesprecher
Friedrichswall 1
30159 Hannover
Tel: (0511) 120-5427
Fax: (0511) 120-995427

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