Chemiegipfel: Gemeinsames Positionspapier für eine starke norddeutsche Chemieindustrie verabschiedet
Tonne: „Wir brauchen eine Industriepolitik, die unsere Betriebe stärkt – nicht lähmt“
Die Chemieindustrie steht unter massivem Druck: Hohe Energiepreise, zunehmende Regulierung und eine anhaltende Standortunsicherheit bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit einer Schlüsselbranche der deutschen Volkswirtschaft. Um Lösungen für diese Herausforderungen zu erarbeiten, hat Niedersachsens Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne heute führende Vertreterinnen und Vertreter der Chemieverbände und der Gewerkschaften zu einem Gespräch/Austausch ins Wirtschaftsministerium eingeladen.
Gemeinsam mit Dr. Sarah Saeidy-Nory (Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Chemischen Industrie Landesverband Nord und des Arbeitgeberverbandes ChemieNord), die stellvertretend für die norddeutschen Chemie-Arbeitgeberverbände verhandelte, und Ralf Becker (Landesbezirksleiter der IGBCE Nord), der die Interessen der Betriebsräte und Beschäftigten der Branche vertrat, wurde ein wirtschaftspolitisches Positionspapier verabschiedet, das die zentralen Forderungen der Chemieindustrie in Norddeutschland zusammenfasst. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen der Branche nachhaltig zu verbessern und die industrielle Basis zu sichern.
Minister Tonne: „Die chemische Industrie ist Rückgrat und Taktgeber unserer gesamten industriellen Wertschöpfung. Wenn wir diese Branche verlieren, verlieren wir ein Stück wirtschaftliche Souveränität. Wir brauchen eine Industriepolitik, die unsere Betriebe stärkt – nicht lähmt. Dazu gehören wettbewerbsfähige Energiepreise, schnellere Genehmigungen, weniger Bürokratie und faire Marktbedingungen. Niedersachsen steht fest an der Seite der Unternehmen und ihrer Beschäftigten, um gemeinsam den industriellen Wandel zu gestalten – klimafreundlich, innovationsstark und zukunftssicher.“
Das verabschiedete Positionspapier benennt drei zentrale Handlungsfelder für eine Zukunftsperspektive der Chemieindustrie:
- Wettbewerbsfähige Energiepreise und Versorgungssicherheit:
Einführung eines nationalen Industriestrompreises, Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und Beschleunigung von Netzanschlüssen sind wesentliche Forderungen.
- Unterstützende Industriepolitik für Transformation und Beschäftigungssicherung:
Gefordert werden gezielte Investitionsförderungen, ein Schutz vor Dumpingimporten sowie eine Reform des europäischen Emissionshandels (ETS), um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.
- Bürokratieabbau und Verfahrensvereinfachung:
Die Branche fordert vereinfachte und digitalisierte Genehmigungsprozesse, eine konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Richtlinien sowie das Prinzip „Once-only“ zur Reduzierung von Berichtspflichten.
Die Chemie-Sozialpartner fordern eine politische Kehrtwende: „Wir benötigen in der norddeutschen Chemieindustrie einen kräftigen Ruck! Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist aktuell schon erheblich eingeschränkt, obwohl wir die nachhaltigeren Produkte haben. Die derzeitigen Rahmenbedingungen zerstören unsere Wettbewerbsfähigkeit“, betonten Dr. Sarah Saeidy-Nory und Ralf Becker in einem gemeinsamen Statement.
„Wir freuen uns, dass der niedersächsische Wirtschaftsminister seine Unterstützung zugesagt hat, sich gemeinsam mit den norddeutschen Chemie-Sozialpartnern für eine echte politische Kehrtwende in Berlin und Brüssel einzusetzen. Diese muss zu notwendigen Systemkorrekturen und zu spürbaren Entlastungen für unsere Unternehmen führen. Gefordert sind jetzt vor allem wettbewerbsfähige Energiepreise, eine Reform des Emissionshandels und die Verhinderung weiter steigender CO₂-Preise. Darüber hinaus geht es um Bürokratieabbau und ein Zurückfahren der Regulierungen bei Emissionen und Abwässern“, so Saeidy-Nory und Becker weiter.
Minister Tonne betonte abschließend, dass Niedersachsen als Industrieland eine führende Rolle im Norden einnehmen wolle: „Die Transformation gelingt nur, wenn wir Wertschöpfung im Land halten. Dieser Gipfel war ein wichtiger Auftakt, um gemeinsam an einer realistischen, wirtschaftlich tragfähigen Industriepolitik zu arbeiten.“
Hintergrund:
Die Chemieindustrie in Niedersachsen ist im Jahr 2024 mit einem Umsatz von rund 11 Mrd. Euro, einer Exportquote von knapp 65 Prozent und rund 22.900 Beschäftigten in 156 Betrieben die viertgrößte Industriebranche im Land. Neben Betriebsstätten einiger internationaler Konzerne (u.a. Dow, BASF, Covestro) ist die niedersächsische Chemiebranche überwiegend mittelständisch strukturiert. In 135 Betrieben unter 250 Mitarbeitern arbeiten knapp die Hälfte der Beschäftigten.
Als Produzent und Anbieter von anorganischen und organischen Grundstoffen über Arzneimittel, Duftstoffe und Aromen, Farben und Lacke, Reinigungs- und Körperpflegemittel, Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel bis hin zu speziellen Beschichtungsstoffen, Spezialkunststoffen sowie einer Vielzahl weiterer Produkte ist die chemische Industrie für viele andere Industriebranchen ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette.
Über den VCI Nord:
Der VCI Nord ist ein Landesverband des Verbandes der Chemischen Industrie. Er vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen von über 300 Mitgliedsunternehmen mit knapp 70.000 Beschäftigten in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen. Weitere Kernaufgaben sind die Fortbildung von Lehrkräften, die Verbesserung des naturwissenschaftlichen Unterrichts sowie die Förderung von Kontakten zwischen Hochschulen und Wirtschaft.
Über ChemieNord:
ChemieNord ist der Arbeitgeberverband für die chemische und pharmazeutische Industrie in Norddeutschland. Der Verband vertritt rund 300 Mitgliedsunternehmen mit 68.000 Beschäftigten. Kernaufgaben sind der Abschluss von Tarifverträgen, arbeitsrechtliche Beratung sowie Unterstützung im Demografie- und Gesundheitsmanagement, beim Ausbildungsmarketing und in der politischen Interessenvertretung.
Über die IGBCE Landesbezirk Nord:
Der Landesbezirk Nord der IGBCE hat rund 80.000 Mitglieder. Zum Organisationsbereich gehören die Branchen Chemie/Pharma, Kautschuk, Papier, Kunststoffe, Energie, Erdöl und Erdgas, Glas, Keramik, Kali- und Steinsalz, Leder und industrienahe Entsorgung.
Artikel-Informationen
erstellt am:
27.10.2025

