Was machen die Branchendialoge mit den niedersächsischen Schlüsselindustrien?
Plenum 19. Februar 2016 - Mündliche Anfragen - Frage 60
Abgeordnete Gabriela König, Jörg Bode und Hillgriet Eilers (FDP)
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung
Vorbemerkung der Abgeordneten
In der Koalitionsvereinbarung (Seite 57) wurde vor drei Jahren im Kapitel Industriepolitik die regelmäßige Durchführung von Branchendialogen mit den Schlüsselindustrien angekündigt.
Vorbemerkung der Landesregierung
Für den Begriff „Schlüsselindustrie“ gibt es keine eindeutige Definition. Im Folgenden wird von den Industriezweigen ausgegangen, die für Niedersachsen aufgrund der Zahl der Beschäftigten und/oder wegen ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche und technologische Entwicklung besonderes Gewicht haben.
1. Welche Industriezweige oder -bereiche zählen aus Sicht der Landesregierung zu den Schlüsselindustrien und welche nicht?
Von besonderer Bedeutung für den Industriesektor in Niedersachsen im o.g. Sinne sind die Automobilindustrie einschließlich der Zulieferer, die Energiewirtschaft einschließlich Bau und Unterhaltung von Windenergieanlagen mit allen Komponenten, der Maschinen – und Anlagenbau, die Maritime Verbundwirtschaft mit Schiffbau und Zulieferindustrien der maritimen Wirtschaft, die Ernährungsindustrie, die Luftfahrtindustrie, die Stahlindustrieund die Chemieindustrie. Daneben stehen weitere, nicht unter den Begriff Industrie fallende, für Niedersachsen bedeutsame Branchen im Fokus der Arbeit des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.
2. Wann und wie oft wurden die Branchendialoge mit den identifizierten Schlüsselindustrien jeweils geführt?
Branchendialoge werden in verschiedenen die Schlüsselindustrien betreffenden Industriezweigen durchgeführt.
Automobilindustrie: Allein im Jahr 2015 wurden vier Dialogveranstaltungen in Oldenburg, Osnabrück, Wolfsburg und Bremen durchgeführt. In 2016 hat in Hannover ein Branchengespräch stattgefunden.
Maschinen – und Anlagenbau: Gemeinsam mit dem Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer Nord (VDMA-Nord) werden jährlich Branchendialoge mit den Vertretern der niedersächsischen Unternehmen der Branche durchgeführt. Diese Treffen bedienen analog der bundesweiten Veranstaltung die regionalen Brancheninteressen.
Maritime Wirtschaft:
Reederdialoge: Im Jahr 2014 wurden drei Reederdialoge und im Jahr 2015 zwei Reederdialoge durchgeführt. Für 2016 ist bisher ein Reederdialog terminiert.
Seehafendiaolge: Im Jahr 2014 wurden zwei Seehafendialoge und im Jahr 2015 drei Seehafendialoge durchgeführt.
Energiewirtschaft und energieintensive Unternehmen: Fachgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Energiewirtschaft und energieintensiven Unternehmen haben am 03.02.2015, am 17.08.2015 und 11.02.2016 stattgefunden. Am 03.03.2014, 13.10.2014 und 10.04.2015 hat jeweils die Gesprächsrunde „Offshore- Windenergie an der deutschen Nordseeküste“ der Länder Niedersachen und Bremen mit Vertretern der Offshore-Branche stattgefunden.
Ernährungswirtschaft: Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Schlacht- und Zerlegebranche haben am 29.04.2013, 27.06.2013, 08.04.2015, 21.05.2015 und 21.07.2015 stattgefunden. Der Branchendialog Ernährungsindustrie fand am 01.12.2015 statt.
Luftfahrtindustrie: Im norddeutschen Kontext wird am Rande der KüWüVerMinKo ein vom OEM Airbus koordinierter Dialog zwischen dem Unternehmen und den Wirtschaftsministern bzw. –senatoren der 5 Küstenländern geführt. In der Regel wird gegen Mitte des Jahres ein weiterer Dialog durchgeführt, diesjährig im Zuge der Berlin Airshow „ILA 2016“. Unter Mitwirkung der Landesinitiative „Niedersachsen Aviation“ finden verschiedene Fachtagungen statt, die sich in erster Linie an den Bedürfnissen und Herausforderungen der Zulieferkette orientieren. Einmal jährlich findet das Jahresnetzwerktreffen der Luftfahrtindustrie Niedersachsen statt (letzter Termin 10.12.2015).
Stahl: Am 08.02.2016 wurde ein Stahldialog mit Vertretern aus Wirtschaft, IG Metall und Politik durchgeführt.
Chemieindustrie: Mit dem Verband der chemischen Industrie (VCI) besteht ein regelmäßiger Austausch. Darüber hinaus sind der VCI sowie Vertreterinnen und Vertreter der energieintensiven Chemieindustrie in die Fachgespräche zum Thema Energie, zuletzt am 11.02.2016, einbezogen.
3. Welche strategischen Ziele und Umsetzungsmaßnahmen sind mit den jeweiligen Schlüsselindustrien in den vergangenen drei Jahren entwickelt und welche sind bereits umgesetzt worden?
Automobilindustrie: Zu den Ergebnissen gehören die Gründung von Automotive Nord e.V. sowie die Errichtung der Geschäftsstelle Industrie 4.0 beim IZ.
Maschinen- und Anlagenbau: Die Unternehmen des niedersächsischen Maschinen- und Anlagenbaus haben insbesondere die lokalen und regionalen Problematiken und Themen diskutiert. An die Landesregierung wurden zusätzlich strategische Themenfelder herangetragen, dies sind u. a. Fachkräftesicherung, Digitalisierung der Wirtschaft/Industrie 4.0 und Integration der Flüchtlinge.
Maritime Wirtschaft: Reeder-Dialoge: Die Dialogreihe dient dem regelmäßigen Austausch mit den Niedersächsischen Reederverbänden zu aktuellen Themen und Fragestellungen. Anlassbezogen werden auch Vertreter des VDR, der niedersächsischen Inselreeder sowie weitere Gäste eingeladen. Themenschwerpunkt der letzten Jahre war die Bewältigung der langjährigen Krise in der internationalen Seeschifffahrt. Hier konnte mit maßgeblicher niedersächsischer Unterstützung die Verbesserung des Lohnsteuereinbehalts für Beschäftigte auf Schiffen unter deutscher Flagge von 40% auf 100% erreicht werden. Damit wird die Wettbewerbssituation dieser Schiffe deutlich verbessert. Aus dieser Dialogreihe heraus ist auch die Anregung entstanden, das Gutachten zur „Stärkung und Weiterentwicklung der Reedereiwirtschaft in Niedersachsen“ in Auftrag zu geben. Dieses wurde im Rahmen des Termins am 30.09.2015 durch das CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH vorgestellt. Im Unterausschuss Häfen und Schifffahrt des Niedersächsischen Landtages wurde das Gutachten am 12.10.2015 vorgestellt.
Seehafen- Dialoge: Die Seehafen-Dialoge dienen dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit Vertretern der Niedersächsischen Hafenwirtschaft zu aktuellen Themen und Fragestellungen. Themenschwerpunkte der letzten Jahre waren u.a. die Abstimmung zur Übersicht „Die Niedersächsischen Häfen im Profil – Zahlen, Daten, Fakten“ und die Positionierung zum Nationalen Hafenkonzept des Bundes.
Energiewirtschaft und energieintensive Unternehmen: Ziel ist die Fortschreibung des hohen Niveaus der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit des Strompreises sowohl für die Unternehmen als auch für die Privatkunden. Die Einbringung der Positionen erfolgt im Rahmen der Gesetzgebung durch Stellungnahmen gegenüber der Bundesregierung sowie im Bundesratsverfahren. Mit dem „Cuxhavener Appell“ zur Offshore-Industrie hat Niedersachsen gemeinsam mit den norddeutschen Bundesländer sowie Branchenvertretern und der IG Metall Forderungen zur Nutzung der Offshore-Windenergie als einen Eckpfeiler der Energiewende an den Bund gerichtet. Es ist das erklärte Ziel, für die Projekte bis 2020 Sicherheit über die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zu schaffen. Niedersachsen verfolgt diese gemeinsamen Maßgaben konsequent in den Diskussionen mit dem Bund über die künftigen Rahmenbedingungen.
Ernährungswirtschaft:Wichtiges Ziel der Gespräche und Dialoge mit Vertreterinnen und Vertretern der Ernährungsindustrie ist es, die gesellschaftliche Akzeptanz für diesen Industriezweig zu erhöhen.
Beim Branchendialog Ernährungsindustrie haben sich Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette rund um Nahrungsmittel von der Landwirtschaft über die Verarbeitung bis zum Handel zu den Wechselwirkungen zwischen Konsumerwartungen und Produktionsbedingungen ausgetauscht. Bei den Gesprächen mit der zur Ernährungsindustrie zählenden Schlacht – und Zerlegebranche geht es vorrangig darum, gemeinsam nach Möglichkeiten zu suchen, den durch vielfache Presseberichterstattung über zum Teil unzumutbare Arbeits – und Wohnbedingungen entstandenen schlechten Ruf des Standorts Niedersachsen zu verbessern.
Ziel der Gespräche ist insbesondere eine Verbesserung der genannten Bedingungen in dieser Teilbranche. So soll der Umfang der Beschäftigung von Fremdpersonal auf der Grundlage von Werkverträgen zurückgedrängt und der Anteil der Stammbeschäftigten in den Betrieben erhöht werden. Bei der Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen im Bereich der Schlacht- und Zerlegebranche sind erste Erfolge erzielt worden. Zu nennen ist hier vor allem der Abschluss eines Tarifvertrages für die Fleischwirtschaft, der mittlerweile für alle in dieser Branche in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt und einen verbindlichen Mindestlohn von aktuell 8,75 €/ Stunde vorsieht. Aber auch Verbesserungen bei der Unterbringung von Beschäftigten durch die Einführung der Geltung arbeitsschutzrechtlicher Mindeststandards für Unterkünfte sowie die Erhöhung der Kontrolldichte in diesem Bereich sind Ausfluss nicht zuletzt der Gespräche des Nds. Wirtschaftsministers mit der Schlacht – und Zerlegebranche.
Luftfahrtindustrie: Im „Airbus Dialog“ werden u.a. die diversen Aktivitäten im Norddeutschen Raum, insbesondere im Bereich F&E, koordiniert. Dadurch wird eine Konkurrenzierung der einzelnen Aktivitäten der Küstenländer vermieden und eine Abstimmung in der thematischen Ausrichtung der großen Norddeutschen Luftfahrt-Forschungszentren (CFK Nord Stade, ZAL Hamburg, Ecomat Bremen) erreicht. In Abstimmung mit dem Bund, anderen Bundesländern und der Industrie wurde die „Supply-Chain-Excellence“ Initiative gegründet, die eine Neuorganisation und –ausrichtung der Zulieferkette begleitet. Hier wird die in Niedersachsen kleinteiliger organisierte Zulieferlandschaft wettbewerbsfähiger ausgerichtet.
Stahl: Auf dem Stahldialog Niedersachsen wurde vereinbart, sich auf Bundes- und europäischer Ebene für faire Bedingungen für die heimische Stahlindustrie einzusetzen. Einzelheiten zu den strategischen Zielen und Umsetzungsmaßnahmen wurden in einer gemeinsamen Erklärung dokumentiert.
Chemieindustrie: Bezahlbare Energiekosten sowie die Planbarkelt und Verlässlichkeit von staatlichen Regelungen tragen wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung bei. Diese Bedarfe werden in Form von Stellungnahmen in die Gesetzgebung eingebracht.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.02.2016
Ansprechpartner/in:
Pressesprecher: Christian Haegele und Sabine Schlemmer-Kaune