Welche Bedeutung hat der Bau der Küstenautobahn A 20 für Niedersachsen?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.09.2012- TOP 39. Antwort von Verkehrsminister Jörg Bode auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dirk Toepffer (CDU)
Der Abgeordnete Dirk Toepffer (CDU) hatte gefragt:
Die Fertigstellung der Küstenautobahn A 20 ist ein wesentlicher Baustein zur Erschließung des nordwestdeutschen Verkehrsraumes. Die Küstenautobahn soll im Verbund mit den bestehenden, Niedersachsen durchquerenden Autobahnen A 1, A 2 und A 7 Wirtschafts- und Verkehrsräume besser miteinander verknüpfen. Mit einer Länge von 121 km ist die A 20 neben der A 39, der A 14 in Sachsen-Anhalt und der A 94 in Bayern eines der größten Autobahnneubauprojekte in Deutschland.
Die neue SPD-geführte Landesregierung in Schleswig-Holstein hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, den auf schleswig-holsteinischem Gebiet verlaufenden Abschnitt der A 20 lediglich verkürzt bis zur A 7 zu beplanen und auszubauen. Damit verhält man sich widersprüchlich zu auf Bundes- und Länderebene getroffenen Vereinbarungen. Dieser Entschluss hat in den vergangenen Monaten zu Kritik verschiedenster Wirtschaftsverbände und der Landespolitik aus Niedersachsen geführt.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die Ankündigung der neuen Kieler Landesregierung, die durch schleswig-holsteinisches Gebiet verlaufende Trasse der A 20 lediglich verkürzt bis zur A 7 auszubauen?
- Hat die Entscheidung der neuen Kieler Landesregierung Auswirkungen auf das weitere Planungsverfahren der insgesamt sieben Trassenabschnitte in Niedersachsen?
- Wie bewertet die Landesregierung die jüngst vom Bundesverkehrsministerium in die Diskussion eingebrachte Studie, die eine ÖPP-Realisierung der festen Elbquerung der A 20 bei Glücksstadt als sinnhaft erachtet?
Verkehrsminister Jörg Bode beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Schleswig-Holstein hat eine neue Landesregierung.
SPD, Grüne und SSW haben in ihrem Koalitionsvertrag bezogen auf den verkehrlichen Bereich Vereinbarungen getroffen, die uns in Niedersachsen nicht egal sein können. Damit meine ich die Verabredung zur Küstenautobahn A 20, den im aktuellen Investitionsrahmenplan des Bundes vorgesehenen Abschnitt westlich der A 23 in dieser Legislaturperiode nicht zu realisieren. Die laufenden Planfeststellungsverfahren will man nutzen, um eine Neubewertung der prognostizierten Verkehrsströme sowie der ökologischen und finanziellen Folgewirkungen vorzunehmen. Nicht verborgen bleibt, dass über die Perspektive 2017 hinaus eine grundsätzlich unterschiedliche Bewertung zwischen den Koalitionspartnern besteht.
Die Erweiterung und die Erhaltung der Verkehrsnetze zur Verbesserung der Mobilität in Niedersachsen ist eine wesentliche Säule unserer Verkehrspolitik.
Eine bedarfsgerechte Anbindung aller Wirtschaftsräume durch Bundesfernstraßen, der Ausbau von Schiene und Wasserstraße ist für die Entwicklung von Flächenländern wie Niedersachsen und auch Schleswig-Holstein von höchster wirtschafts- und strukturpolitischer Bedeutung. Um dies zu unterstreichen, haben der Bund und die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen am 27.02.2012 eine gemeinsame Erklärung zu Planung und Bau der A 20 abgeschlossen.
Der Neubau der rund 114 km langen Küstenautobahn von Westerstede nach Drochtersen mit der sich anschließenden festen Elbquerung gehört deshalb mit zu den wichtigsten Infrastrukturvorhaben in Niedersachsen.
Die Realisierung der Küstenautobahn hat nicht nur für Niedersachsen, sondern für alle norddeutschen Küstenländer große wirtschaftliche und verkehrliche Bedeutung. Das transeuropäische Netz ist im Hinblick auf die dynamische Entwicklung des Güterverkehrs 2025 und wegen der heute bereits im Zuge der A 1 vorhandenen Engpässe im Raum Osnabrück, Bremen und Hamburg durch eine leistungsfähige Ost-West-Achse dringend zu ergänzen. Im Zusammenhang mit der A 20 entlang der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sowie dem bereits vorhandenen Autobahnnetz im Norden der Bundesrepublik soll mit der geplanten Elbquerung bei Drochtersen eine durchgängige Fernstraßenverbindung vom Baltikum zu den westeuropäischen Staaten entstehen.
Mit dieser neuen Ost-West-Verbindung wird der Ballungsraum Hamburg gezielt umgangen. Die bereits vorhandenen festen Ostseequerungen zwischen Dänemark und Schweden können effektiv genutzt werden. Die Küstenautobahn schafft eine Verbindung zwischen den weit auseinander liegenden Standorten der Seehäfen und bringt eine leistungsfähige Hinterlandabbindung. Im regionalen Bereich verbessert der Bau der A 20 die Standortqualitäten in bisher benachteiligten Regionen.
Entsprechend ihrer Bedeutung ist die feste Elbquerung im Zuge der A 20 im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen dem „Vordringlichen Bedarf“ zugeordnet. Der Abschnitt der Küstenautobahn von Westerstede nach Drochtersen ist im „Weiteren Bedarf mit Planungsrecht und mit besonderem naturschutzrechtlichen Planungsauftrag ausgewiesen.
Das Land hat die Planungen der A20 konsequent vorangebracht. Gegenwärtig erfolgt die detaillierte Entwurfsaufstellung in insgesamt 7 Planungsabschnitten. Der Vorentwurf für den Abschnitt bei Bremervörde wurde durch das Bundesverkehrsministerium Mitte des Jahres mit dem „Gesehen-Vermerk“ genehmigt.Nach diesem wichtigen Meilenstein geht die Planung noch in diesem Monat in das Planfeststellungsverfahren.
Die Stärke von Wirtschaftsregionen wird maßgeblich von ihrer Lage zu den großen Verkehrsadern beeinflusst. Deshalb ist die Anbindung aller Wirtschaftsräume durch verkehrsgerechte Bundesfernstraßen – insbesondere der Bundesautobahnen – im gesamten norddeutschen Raum dringend geboten.
Hierzu hat der Bund in einem ersten Schritt den Abschnitt bei Bremervörde als prioritäres Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von rd. 130 Mio. Euro in den Investitionsrahmenplan eingestellt. Zudem sind alle weiteren Abschnitte der A 20 in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen ebenfalls im Investitionsrahmenplan genannt. Für die Verkehrspolitik sind die Verkehrsprognosen bis zum Jahr 2025 eine gewaltige Herausforderung. Die Gutachter gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2025 der Personenverkehr um 16 % und der Güterverkehr um 79 % zunehmen werden. Die Experten sind dabei sich einig, dass dabei der größte Anteil des Güterverkehrsanstiegs auf der Straße stattfinden wird.
Für den Bund ist es eines der wenigen im Bedarfsplan ausgewiesenen Autobahnneubauprojekte.
Erst vor einigen Tagen hat das Bundesverkehrsministerium den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen das Ergebnis seiner beauftragten Eignungsabschätzung zur Frage einer möglichen Mautfinanzierung vorgestellt. Danach ist für die Elbquerung zwischen Glückstadt und Drochtersen ein wirtschaftlich tragfähiges F-Modell bei Berücksichtigung einer maximalen Anschubfinanzierung von 50 % der Baukosten grundsätzlich möglich und machbar.
Ich möchte nun im Einzelnen auf die Fragen dieser Kleinen Anfragen eingehen.
Zu 1. und 2.:
Für Niedersachsen ergeben sich für die Planung der Küstenautobahn einschließlich der festen Elbquerung bei Drochtersen als zentrales länderübergreifendes Autobahnprojekt durch den Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein keine veränderten Rahmenbedingungen.
Mit seiner Entschließung vom 15.01.2009 hat sich der Niedersächsische Landtag deutlich für das Ziel ausgesprochen, zusätzlich zu der dringend notwendigen Ergänzung des deutschen Autobahnnetzes durch die A 39 von Lüneburg nach Wolfsburg auch die Küstenautobahn mit der dazugehörigen Elbquerung bescheunigt zu planen und zu bauen. Entsprechend der Bedeutung der Küstenautobahn für den gesamten norddeutschen Raum wird sich Niedersachen bei der Fortschreibung des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen für eine Höherstufung in den „Vordringlichen Bedarf“ einsetzen. Die Planung der Küstenautobahn werden wir wie bisher konsequent vorantreiben.
In diesem Sinne werden wir auch die Gespräche der Wirtschafts- und Verkehrsminister/-senatoren der Norddeutschen Küstenländer, in denen die besondere Bedeutung der A 20 thematisiert wird, fortführen.
Zu 3.:
Wir brauchen die zügige Realisierung der A 20 für die norddeutschen Küstenländer. Auf diesem Weg dorthin stellt das aktuelle Ergebnis der Eignungsabschätzung zur möglichen Mautfinanzierung des Elbtunnels einen ganz entscheidenden Baustein dar.
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erstellt am:
28.09.2012