Modellbeispiel Energiewende
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DAS NIEDERSÄCHSISCHE QUARTIERSGESETZ (NQG) HAT POTENTIAL – VORTEILE & BEISPIELE
Gebündelte Kräfte für die Quartiersentwicklung
Aufwertungsmaßnahmen nach dem NQG sind Maßnahmen, welche die Attraktivität eines festgelegten Quartiers steigern und es an die aktuellen Herausforderungen anpassen. Sie tragen dazu bei, dass die Funktion des Quartiers als Wohn-, Arbeits- und Einkaufsort nicht nur erhalten, sondern gestärkt wird. Das NQG hat eine inhaltlich breite Ausrichtung und ermöglicht u.a. Maßnahmen in den Themenfeldern Wohnen, Innenstadt und Gewerbe sowie Klimaschutz und Klimaanpassung.
Quartiersbezogene Aufwertungsmaßnahmen in den genannten Themenfeldern nach § 2 NQG sind vielfältig und können in drei verschiedenen Kategorien untergliedert werden:
- Kleine investive Maßnahmen: z. B. einheitliche Weihnachtsbeleuchtung oder Schaufensterdekoration, ergänzende insektenfreundliche und klimaresiliente Bepflanzungen, Wegeleitsystem zur besseren Orientierung im Quartier
- Große investive Maßnahmen: z. B. Zisternen/Rigolen zur grundstücksübergreifenden Be- und Entwässerung, zusätzliche Sitzgelegenheiten, Spielgeräte oder Beleuchtung für öffentliche und halböffentliche Bereiche
- Konzepte und Dienstleistungen: z. B. Erstellung und Umsetzung eines Marketingkonzepts (u. a. gemeinsamer Internetauftritt, Veranstaltungen z. B. Straßenfeste, Ausbildungsmessen, Konzerte), Vermittlungsstelle für leerstehende Gewerbeeinheiten, Beauftragung einer Quartiershausmeisterin/eines Quartiershausmeisters, fachliche Beratung zur energetischen Gebäudesanierung
Das gemeinsame Handeln und das Bündeln der finanziellen, aber auch personellen Kapazitäten der privaten Akteure steht bei dem NQG im Vordergrund. Von der Aufwertung durch die oben genannten Maßnahmenbeispiele profitieren alle im Quartier. Auch wenn ein Quartier nach dem NQG oft von einer kleinen Gruppe – der Quartiersinitiative – angeregt wird, stellt das Prinzip der Quartiersgemeinschaft sicher, dass zumindest alle Eigentümerinnen und Eigentümer, ggf. auch andere Betroffene im Quartier wie z. B. Mietparteien oder Händlerinnen und Händler, sich beteiligen. Die Eigentümerinnen und Eigentümer tun dies in erster Linie durch eine im Rahmen einer Satzung geregelte Abgabe, die die Aufwertungsmaßnahmen finanziert. Im Idealfall bringt sich die Mehrheit aller Stakeholder jedoch auch inhaltlich bei der Maßnahmenkonzeption und bei der Umsetzung ein – und begleitet das NQG-Quartier von der Gründung der Quartiersgemeinschaft über die Implementierung des Quartiers via Satzung bis hin zur Durchführung der Maßnahmen
In den folgenden Beiträgen werden die in der Abbildung dargestellten Schritte und Phasen zu einem NQG-Quartier detailliert aufgeschlüsselt.
Ein NQG-Quartier mit seiner Quartiersgemeinschaft bietet sowohl privaten Akteuren als auch der Gemeinde zahlreiche Vorteile. Dazu gehören aus Sicht privater Akteure wie Einzelpersonen, Unternehmen, Vereinen und Initiativen beispielsweise:
- Eigeninitiative und Mitsprache: Das NQG ermöglicht privaten Akteuren, selbst passgenaue Maßnahmen zur Aufwertung ihres Quartiers zu entwickeln und durchführen. Sie können ihre Ideen und Kompetenzen einbringen sowie eigene Schwerpunkte setzen. Zudem steuern die privaten Akteure den Prozess von der Gründung der Quartiersgemeinschaft bis zur Umsetzung der Maßnahmen (ggf. unterstützt durch einen externen Dienstleister). Bei Maßnahmen, die allein in der Zuständigkeit der Gemeinde liegen, muss diese hingegen verschiedene Interessen gegeneinander abwägen und eine Beteiligung der privaten Akteure vor Ort ist meist nur punktuell und zu bestimmten Fragenstellungen möglich.
- Faire Aufwandsverteilung: Die Ausgaben für die Aufwertungsmaßnahmen werden gemäß des NQG auf alle Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Erbbauberechtigten verteilt. Es wird dabei sichergestellt, dass jede Partei einen Beitrag gemäß ihrer Möglichkeiten leistet. Ein NQG-Quartier verhindert außerdem – im Gegensatz zu einer freiwilligen Finanzierung gemeinsamer Maßnahmen –, dass solvente Akteure sich finanziell nicht beteiligen, obwohl sie gleichermaßen von den Maßnahmen profitieren.
- Erhaltung und Steigerung des Grundstückswerts: Durch vielfältige, auch kleinere Aufwertungsmaßnahmen im Quartier oder Investitionen am eigenen Gebäude kann der Wert der Immobilie steigen, zumindest aber einer Wertverminderung entgegengewirkt werden.
- Rechtssicherheit: Das NQG bietet Quartiersgemeinschaften Rechtssicherheit. Das heißt, es bestehen verbindliche Regelungen zu Rechten und Pflichten aller involvierten Akteure.
- Gemeinsames Sprachrohr: Durch die Bildung einer offiziellen (rechtsfähigen) Gemeinschaft sprechen die privaten Akteure mit einer Stimme. Sie können der Gemeinde selbstbewusst gegenübertreten und ihre Wünsche und Bedarfe nachdrücklicher vermitteln als es bei Einzelpersonen in der Regel der Fall ist.
Aus Sicht der Gemeinde gehören zu den Vorteilen des NQG:
- Partnerschaftliche Quartiersentwicklung: Die Maßnahmen der Quartiersgemeinschaft müssen durch eine ausreichende Anzahl an Eigentümerinnen und Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte im Quartier unterstützt werden. Dadurch ist für die Gemeinde ersichtlich, dass es sich dabei nicht nur um Interessen Einzelner handelt. Darüber hinaus finanzieren die privaten Akteure selbst die entwickelten Maßnahmen. Die Gemeinde gewinnt mit der Quartiersgemeinschaft eine Partnerin auf Augenhöhe bei der Gestaltung ihres Ortes.
- Effizientere Nutzung von Ressourcen: Die Gemeinde kann ihre Planungen, mit denen der Quartiersgemeinschaft abstimmen und so ihre finanziellen und personellen Ressourcen bündeln, um umfassende Synergien zu erzeugen. Ein neu gestalteter Platz entfaltet beispielsweise eine noch attraktivere Wirkung, wenn er von den anliegenden Gewerbetreibenden oder Anwohnenden für Märkte oder Quartiersfeste genutzt wird und von diesen um zusätzliche insektenfreundliche Beete ergänzt wird. Auch können Straßen- und Weihnachtsbeleuchtung aufeinander abgestimmt werden. Dies trägt zu einer effizienteren Nutzung der knappen Ressourcen in den Gemeinden bei. Die Gemeinde wird durch das Gesetz jedoch nicht von ihren Regelaufgaben zur Sicherung der Grundversorgung entbunden.
- Verbesserte Zusammenarbeit mit privaten Akteuren und Nutzen ihrer Stärken: Das NQG erleichtert den Gemeinden die Zusammenarbeit mit privaten Akteuren, wie beispielsweise Wirtschaftsunternehmen, Vereinen oder Initiativen. Private Akteure bemerken neue Entwicklungen vor Ort oft vor der öffentliche Verwaltung. Sie können schneller auf Veränderungen reagieren und neue Ideen zu einem Quartiersthema umsetzen, da sie u. a. kürzere und weniger formalisierte Entscheidungswege haben und direkt an den jeweiligen Bedarfen im Quartier dran sind.
Praxis- und Modellbeispiele in den Themenfeldern Wohnen, Innenstadt und Gewerbe sowie klimagerechte Quartiersentwicklung
Niedersachsen ermöglicht seit 2021 die Gründung von NQG-Quartieren. Viele erfolgsversprechende Initiativen haben sich seitdem auf dem Weg gemacht, wie z. B. das Quartier „Weender Straße/Kornmarkt“ in Göttingen. Im englischsprachigen Raum, aber auch in anderen Bundesländern, wie z. B. Hessen und Hamburg, gibt es die gesetzliche Grundlage dafür bereits seit vielen Jahren. In der Fachliteratur werden für Quartiere im Sinne des NQG meist die englischen Begriffe „Business Improvement District“ (BID), „Housing Improvement District“ (HID) oder „Climate Improvement District” (CID) genutzt.
Anhand von acht Praxis- und Modellbeispielen werden unterschiedliche Anlässe für die Einrichtung eines Quartiers und die Vielfalt der möglichen Maßnahmen veranschaulicht. Die Praxisbeispiele stellen existierende Standortinitiativen oder Quartiersgemeinschaften in Deutschland mit ihren Schwerpunkten vor. Die Modellbeispiele skizzieren beispielhaft mögliche Konstellationen und Themen für eine Quartiersgemeinschaft.